1977: zettelverteilen, falter

Early Conflicts. Beispiel: das Verteilen von Gedichtzetteln im öffentlichen Raum, Österreich, Deutschland, Schweiz, Holland 1974-78.
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Otto Grabner, Ilse Tasler

Vorspiel zu "hölderlin" von peter weiss
ort: der gehsteig vor der stadthalle
zeit: 17. 6., 19 uhr, 30 minuten vor beginn des stückes
personen: christian ide hintze, zettelverteilend; ein livrierter stadthallenmensch, ein polizist und wir.


hintze wird von dem stadthallenmenschen zunächst höflich, dann unfreundlich darauf hingewiesen, daß er seine zettel nicht auf diesem gehsteig verteilen dürfe, weil dieser eigentum der stadthalle sei. als er weiter verteilt, wird ein polizist geholt. "ich hab ihn weggeschickt, aber der geht net", sagt der stadthallenmensch frustriert. der polizist verlangt einen ausweis, hintze hat keinen und beruft sich darauf, daß seine personalien am vortag vom selben polizisten aufgenommen worden seien. während des wortwechsels klopft eine frau hintze auf die schulter: herr hintze, ihre texte sind großartig. der polizist schaut verdutzt, läßt sich aber in seiner amtshandlung nicht beirren und ergreift hintzes unterarm, um ihn zum rechtskundigen beamten zu führen. wir gehen mit, sagen, daß wir ihn identifizieren können, vor der tür zum zimmer des rechtskundigen beamten werden wir energisch zurückgewiesen. der polizist sagt, er brauche da keine zeugen.
wir stehen in der vorhalle zum theatersaal, als wir hintze wieder aus dem zimmer herauskommen sehen. unsere karten sind bereits abgerissen. wir wollen ihm entgegengehen, doch man hält uns auf. "sie dürfen jetzt die stadthalle erst wieder in der pause verlassen, oder, wenn sie durchaus jetzt hinaus wollen, dann muß ich sie nicht mehr hereinlassen." hintze verteilt draußen weiter seine zettel (nur einige meter weiter weg). der stadthallenmensch sagt, er verstehe das nicht. wenn der grund der stadthalle gehört, dann habe die stadthalle auch das recht, das zettelverteilen hier zu verbieten. "nächstes mal, da sperre ich ihn ein, bis 2 uhr früh, da kann er dann dunsten!", sagt der polizist.


(Otto Grabner, Ilse Tasler in: Falter Nr. 26/27, Programmzeitschrift für Wien, Wien, Juni 1977)